Phở ist kein gewöhnliches Süppchen – sie ist Erinnerung, Identität und Geschmack pur. Im Norden schlicht, im Süden üppig: Jede Schale hat ihren Charme. Ich zeige dir die Unterschiede, damit du beim nächsten Genuss genau hinschmeckst.

Ein Blick auf Phở im Norden und Süden
Phở in Vietnam hat immer etwas Geheimnisvolles – und sorgt gleichzeitig für viele freundliche Diskussionen. Die meisten sind sich einig, dass es irgendwann während der französischen Kolonialzeit Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden ist.
Doch wo genau? Manche sehen darin eine französisch-vietnamesische Fusion wie Bánh Mì oder vietnamesischer Kaffee, andere führen es auf Nudelsuppen aus Südchina zurück.
Im Norden prägen vor allem Hanoi und Nam Định die Phở-Szene – und bis heute streiten sich die Leute, welche Stadt die eigentliche Heimat dieser Nudelsuppe ist.
Dort oben ist Phở mehr als nur Essen – es ist fast schon eine kleine Religion. Stell dir einen frischen Herbstmorgen in Hanoi vor: der Duft von Anis in der Luft und vor dir eine dampfende Schale Phở, mit Rind oder Huhn. Vor allem Hühner-Phở hat hier seinen festen Platz, auch wenn es im Süden nie ganz denselben Stellenwert bekam.

Für viele Vietnames:innen ist „Bát Phở“ gleichbedeutend mit der nördlichen Variante. So wie Bún Bò Huế für Zentralvietnam steht und Cơm Tấm für den Süden, gilt Phở als Aushängeschild des Nordens. Manche Puristen gehen sogar so weit zu behaupten, das südliche Phở sei nicht „echt“.
Für mich persönlich ist das weniger wichtig. Ich bin im Süden groß geworden, aber habe die Küche des Nordens immer geschätzt – ein Hanoi-Style Hühner-Phở oder ein Teller Bún Chả machen mich sofort glücklich. Trotzdem bleibt das südliche Rinder-Phở mein ultimatives Comfort Food – die Schüssel, die für mich immer nach Zuhause schmeckt.
Brühe
Frag mal einen echten Phở-Fan – die Seele von Phở steckt immer in der Brühe. Sie ist weit mehr als nur Suppe: Stunden voller Geduld, Schichten von Aromen und das Herz des ganzen Gerichts. Meist köcheln dafür Rinder- oder Hühnerknochen, manchmal kommen auch ein paar Schweineknochen dazu, um noch mehr Umami herauszukitzeln.
Im Norden geht’s eher ums Feine und Subtile: klar, leicht und wärmend, ohne die Zunge mit zu vielen Reizen zu überladen.
Ein kleiner Geheimtipp der nordvietnamesischen Köche ist Sá Sùng (getrocknete Erdwürmer) – klingt verrückt, sorgt aber für ein tiefes, fast meeriges Umami, das man nicht vergisst. Manchmal kommt auch eine Prise MSG ins Spiel, um die Würze rund zu machen.
Im Süden dagegen will die Brühe glänzen: kräftiger, voller, ein bisschen trüber – und mit einer ganz eigenen Süße durch Kandiszucker. Verkohlter Daikon schenkt ihr noch eine karamellige Tiefe. Man könnte sagen, sie ist das extrovertierte Geschwisterkind der nördlichen Brühe – lauter, herzhafter und absolut unvergesslich.


Gewürze
Wenn die Brühe die Seele des Phở ist, dann sind die Gewürze sein Parfüm – dieser Duft, der einem schon in die Nase steigt, bevor man den ersten Löffel nimmt. Und genau wie die Brühe verändert sich auch die Gewürzmischung, je nachdem, ob man im Norden oder im Süden Vietnams unterwegs ist.


Im Norden herrscht Zurückhaltung. Das Aroma bleibt klar und schlicht: Pfefferkörner, verkohlter Ingwer, Zwiebeln, Schalotten. Sternanis, Zimt, schwarzer Kardamom und Nelken sind zwar da, aber sie flüstern nur leise mit – genug, um Tiefe zu geben, ohne die Bühne zu übernehmen.
Bei Phở Gà kommen oft noch Koriandersamen, Wurzeln und Limettenblätter dazu, die das Ganze noch sanfter machen.
Im Süden dagegen sind die Gewürze selbstbewusster. Getrocknete Mandarinenschalen bringen frische Zitrusnoten, Fenchelsamen eine süße, fast lakritzartige Wärme. Alles wirkt runder, aromatischer – wie eine Umarmung aus Duft und Geschmack, die einen dazu bringt, länger am Tisch sitzenzubleiben.
Nudeln
Phở ist nicht nur Brühe und Fleisch – die Nudeln selbst, Bánh Phở, tragen genauso ihre Geschichte in sich.

Im Norden sind sie breit und flach, saugen die Brühe wie kleine Schwämme auf und schmelzen fast auf der Zunge – genau passend zur feinen Eleganz des nördlichen Phở.
Im Süden dagegen sind sie schlanker, mit mehr Biss – bei jedem Happen hüpfen sie ein bisschen zwischen den Zähnen. Und in den südlichen Zentralprovinzen, wie in meiner Heimatstadt Nha Trang, sind sie noch dünner und elastischer, fast wie Hủ Tiếu. Das gibt der Schüssel eine ganz eigene, federnde Lebendigkeit.
Fleisch
Fangen wir mit dem Klassiker an: Phở Bò.
Im Norden bleibt man gern bei den Basics – Steak (Tái), Flanke (Nạm), Brust (Chín), fettes Bruststück (Gầu) oder Haxe (Bắp). Die echten Hanoier schwören aber besonders auf Bắp Lõi Rùa – das Rinderfersenmuskelstück, das genau die richtige Mischung aus Zartheit und Biss hat.
Und dann gibt’s da noch die legendäre Version Phở Tái Lăn aus Phở Thìn: Das Fleisch wird im heißen Wok kurz angebraten, bevor es in die Brühe wandert. Dieses rauchige Aroma vergisst du nie wieder.

Im Süden geht’s üppiger zu. Da landet fast alles in der Schüssel: Sehnen (Gân), Kutteln (Lá Sách), Rindfleischbällchen (Bò Viên) oder sogar Ochsenschwanz (Đuôi Bò). Jede Schüssel fühlt sich wie ein kleines Festmahl an – ganz im Sinne der chinesisch-vietnamesischen Einflüsse, die hier stark zu spüren sind.
Und wenn’s um Phở Gà geht, sind sich Nord und Süd ausnahmsweise einig: Gà Ta, das vietnamesische Freilandhuhn, ist unschlagbar – festes Fleisch, voller Geschmack, mit zarter Haut. Im Norden taucht manchmal auch Mọc (Schweinefleischbällchen) auf, eine kleine, unerwartete Überraschung in der Brühe.

Kräuter & Beilagen
Was Phở so besonders macht, sind die Kräuter und kleinen Extras, die auf den Tisch kommen. Im Norden hält man es schlicht – meist nur ein paar Ringe von grünen Zwiebeln (Hành Lá), damit die Brühe ungestört glänzen kann.
Im Süden dagegen wird richtig aufgefahren: ein ganzer Strauß Thai-Basilikum (Húng Quế) für die Würze, Sägezahnkraut (Ngò Gai) für den kräftigen Kick, Reisfeldkraut (Rau Om) mit seiner zitrischen Note – und natürlich die knackigen Bohnensprossen. Für Südländer unverzichtbar, während Nordländer sie lieber weglassen, damit die Brühe rein und klar bleibt.
Auch im Norden gibt es aber kleine Geheimtipps: ein sanft pochiertes Ei (Trứng Chần), das die Suppe wunderbar abrundet, oder goldbraune, knusprige chinesische Krapfen (Quẩy) zum Eintunken. Ein Stück abbrechen, in die Brühe tauchen – und schon hat man einen kleinen Moment purer Freude.


Saucen
Sogar beim Würzen von Phở gibt es im Norden und Süden Unterschiede.
Im Norden bleibt man traditionell. Das Rindfleisch-Phở köchelt mindestens sieben Stunden, und die Philosophie ist klar: Die Brühe soll im Mittelpunkt stehen. Ein Spritzer Fischsauce und ein Löffel eingelegter Knoblauch (Giấm Tỏi) genügen, um den Geschmack abzurunden.

Beim Hühner-Phở reicht ein Spritzer Limette. Einige fügen noch ein wenig hausgemachte fermentierte Chilisauce hinzu, aber der Star bleibt die Brühe.
Im Süden geht es bunter und experimenteller zu. Auf dem Tisch stehen Fischsauce, Limette, Hoisin, Chilisauce und manchmal auch Sa Tế (eine Zitronengras-Chili-Paste). Südländer lieben es, die Brühe nach Belieben zu verfeinern oder eine extra Dip-Sauce für das Fleisch zu zaubern.
Ich persönlich würze mein Phở meist nach nördlicher Art, um die Brühe in ihrer reinsten Form zu genießen. Aber ab und zu kann ich den Versuchungen des Südens nicht widerstehen – besonders wenn es darum geht, meine Lieblingsstückchen ins würzige Dip zu tauchen.
Außerhalb Vietnams ist das Phở oft eher im südlichen Stil, mit Sriracha, Hoisin und grünen Jalapeños auf dem Tisch.
Variationen
Rindfleisch-Phở und Hähnchen-Phở sind die Klassiker, die jeder kennt, aber Phở hat sich sowohl im Norden als auch im Süden in viele spannende Varianten entwickelt.
Hanoi, die Hauptstadt von Vietnam, ist nicht nur das politische Zentrum, sondern auch die Phở-Hauptstadt. Die anderen Phở-Varianten sind weniger bekannt und werden meistens von den Einheimischen geliebt. Wenn du mal in Hanoi bist, dann solltest du unbedingt eine dieser besonderen Versionen probieren:
Phở Trộn Gà (Trockenes Hähnchen Phở)
Phở Áp Chảo (Gebratenes Phở mit gebratenem Rindfleisch)
Phở Bò Sốt Vang (Rotwein-Rindereintopf Phở)
Phở Cuốn (Phở-Sommerrollen)
Phở Chiên Phồng (Frittiertes Phở mit gebratenem Rindfleisch)
Im Süden wird Phở manchmal mit vietnamesischem Rindereintopf kombiniert, um Phở Bò Kho zu kreieren. Eine weitere spannende Variante ist Phở Sa Tế (Phở mit scharfem Rindfleisch-Satay), die starke Einflüsse der Teochew-Küche trägt.
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